Kann Drygalla für ihren Freund verantwortlich gemacht werden?

Es geht um eine Sportlerin, die einen Nazi liebt. Seit Jahren schon. Am Donnerstag warteten ihre Kolleginnen an der Olympiastrecke auf sie. Vergebens. Die Ruderin Nadja Drygalla hat ganz schnell das olympische Dorf verlassen. Es klingt so, als wäre sie vom DOSB dazu gedrängt worden. Weil ihr Freund ein Nazi ist, NPD-Kandidat und führender Kopf einer militanten Kameradschaft. Was er tut, geht über die Grenzen unserer Toleranz hinaus. Es gehört verurteilt. Wann immer möglich, muss es bestraft und geächtet werden.

Ein anderes Beispiel aus der rechten Ecke: Bei den Bayreuther Festspielen wurde vor Kurzem ein Sänger nach Hause geschickt, weil er sich ein Hakenkreuz hatte tätowieren lassen. Der Rauswurf war verständlich.

Der Kampf gegen Rassisten, das Hinsehen, gehört zur Verantwortung Deutschlands. Keinem Nazi darf in Deutschland eine Bühne geboten werden.

Aber jetzt geht es um eine Sportlerin, die einen Nazi liebt. Ist ihre Beziehung ein Vergehen, gar ein Verbrechen, ein moralisches, gar ein sportrechtliches? Ist es richtig, sie deshalb von den olympischen Wettkämpfen, der Abschlussfeier fernzuhalten?

Nein, das ist es nicht. Verwandtschaft, Freundschaft, Liebe können nicht bestrafenswert sein. Solange Nadja Drygalla nicht selbst als Nazi bloßgestellt ist, darf sie nicht wegen der Handlungen ihres Freundes benachteiligt werden.

Andersdenkende und Andersaussehende zu respektieren, ist einer der größten Werte unserer Gesellschaft. Darum beneiden uns viele Menschen, die nicht in Deutschland leben. Umso wichtiger ist es, diese Toleranz, diese Freiheit zu schützen und zu verteidigen. Das bedeutet nicht, dass wir die Maßstäbe der Gerechtigkeit verschieben dürfen. Es darf nur der bestraft werden, der eine Straftat begangen hat.

Nadja Drygalla war in London, um zu rudern. Es mag der Verdacht nahe liegen, sie sympathisiere mit der NPD, der Partei ihres Freundes. Doch sie hat kein Verbrechen begangen, sich nicht als Rassistin geäußert.

Um es zu verdeutlichen: Was müsste der Freund einer Sportlerin tun, damit ihr Sportverband sie bestraft? Müsste er ein Dieb sein? Ein Mörder? Ein islamistischer Attentäter?

Die Antwort lautet: Es ist egal, was der Freund tut. Ein Sportverband darf seine Athleten nicht in Sippenhaft nehmen. Selbst wenn es schwer fällt, weil die Sportlerin einen Nazi liebt.

(Veröffentlicht als Pro und Contra auf ZEIT ONLINE)

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